Kerstin Steiner nominiert von
Kathrin Lichters
Es
ist Samstag und es gibt eine neue Geschichte auf der
Indie-Autor-Challenge Seite. Diesmal forderte Kathrin Lichters die
wunderbare Autorin Kerstin Steiner heraus und inspirierte sie zu
einer Geschichte über die wahre Liebe.
1.
Strohalm
2.
Glückspilz
3.
Luxuskarre
4.Liebesgeflüster
5.Halleluja
6.Partydroge
7.Dogge
8.Sextape
9.Nasenhaartrimmer
10.Helm
11.Wolldecke
12.Portfolio
13.Wohnhaus
14.Laus
15.Straßenkarte
Kerstin
Steiner: Liebe und andere Verbrechen
Bellas
Augen weiteten sich merklich, als sie die Fotos auf dem Laptop vom
Standbild in fließende Bewegungen wechseln sah. „Halleluja“,
entfuhr es ihr lautstark. „Was zur Hölle ist denn das?“ Gespannt
ließ sie das Video weiterlaufen und sog aufgeregt den inzwischen
erkalteten Kaffee durch einen Strohhalm. Ihre aufgeplatzte Lippe
schmerzte bei jedem Zug und sie wünschte, sie wäre dem Hieb des
brutalen Schlägers geschickter ausgewichen, als sie sich unter
abenteuerlichen Umständen das Video besorgt hatte, das jetzt in
Dauerschleife auf ihrem Laptop lief.
Ihr
Auftraggeber hatte eine hohe fünfstellige Summe für die Beschaffung
geboten und so hatte sie ihre Bedenken über Bord geworfen und sich
überreden lassen, sich noch einmal in die Kreise der Unterwelt zu
begeben und unter Einsatz ihres Lebens und – wie sie zugeben musste
– auch ihres Elektroschockers, das vermeintliche Sextape zu
besorgen, hinter dem offenbar ganz Rom her war. Doch was sie zu sehen
bekam, war weit verwirrender, als sie erwartet hatte. Sie drückte
erneut auf „Wiedergabe“ und starrte kopfschüttelnd auf den
Monitor. Zwei unglaublich dürre Gestalten in langen, braunen Kutten
kletterten behende aus einer Luxuskarre, die den Namen wirklich mehr
als verdient hatte, denn sie blitzte und glitzerte mit der Sonne um
die Wette, war über und über mit Swarowski-Steinen besetzt und auch
sonst ein Ausbund an Geschmacklosigkeit.
Die
beiden verhüllten Typen trugen eine schwere, in eine Wolldecke
gewickelte Gestalt in ein Wohnhaus. Hier flackerte das Video kurz und
die Kameraeinstellung wechselte. Bella beobachtete, wie die Gestalt
auf einem Tisch gelagert wurde – die klapprigen Gestalten zogen
langsam die Decke weg und eine dicke Dogge kam zum Vorschein. Sie
rührte sich nicht, war offenbar mit einer Partydroge betäubt
worden. Bella mutmaßte, dass man das massige Tier vermutlich mit
einer Flasche K.O-Tropfen in einen Tiefschlaf versetzt hatte. Jetzt
nahmen die Männer eine surrende Maschine in die Hand und ... Bella
traute ihren Augen nicht... sie begannen, dem schlafenden Hund mit
einem Nasenhaartrimmer feine Linien ins Fell zu schneiden.
Bella
blinzelte und hielt das Video an. Sie zoomte das Bild heran. Eine
Straßenkarte! Die Kerle rasierten der Dogge einen Plan auf den
Bauch, dann schlugen sie die Decke erneut um ihn...Hier brach das
Video plötzlich ab.
Bella
zog die Brauen hoch und überlegte kurz, dann druckte sie schnell
einen Screenshot der Fellkarte aus, setzte sich ihren Helm auf, stieg
auf die glänzende Vespa und knatterte los. Wenig später hielt sie
mit quietschenden Reifen vor einem baufälligen Gebäude. „Zorros
Zoohandlung“ prangte in roten Lettern an der verblichenen Wand der
Front. Bella sprang vom Roller und betrat kurz darauf das Zoogeschäft
durch den Hintereingang.
„Welche
Laus ist Dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte der blonde
Hüne an der Kasse, als er sie eintreten sah.
Wortlos
knallte Bella den Ausdruck der Fellkarte auf den Tisch und sah den
Mann abwartend an. Seine Nase begann nervös zu zucken. Er stotterte:
„Tja...eh...also...Bella...“
„Benutzt
Du jetzt die Tiere Deiner Kunden für Deine Machenschaften?“,
unterbrach Bella sein Gestammel. „Warum hat der Hund eine Karte auf
seinem Bauch, die den Weg von Dir zum Trevi-Brunnen zeigt? Was haben
diese Kerle mit dem Hund und der Karte vor?“ Ihre Stimme überschlug
sich vor Wut. „Sag ja die Wahrheit, Mario!“
„Liebes“,
er versuchte, sie zu besänftigen, indem er nach ihrer Hand griff.
Ärgerlich
schlug sie diese fort. „Keine Zeit für Dein Liebesgeflüster“,
zischte Bella leise. „Was steht sonst noch auf Deinem Portfolio?
Tierquälerei? Erpressung? Die Corleone-Brüder? Was zahlen sie Dir
dafür? Warum dürfen sie Deinen Hundesalon nutzen?“ Einmal richtig
in Fahrt gekommen, sprudelten die Fragen nur so aus ihr heraus,
während Mario, ihr ab und zu Freund – aber das ist eine ganz
andere Geschichte – bis unter die blondierten Haarspitzen errötete
und seinen Mund mehrmals tonlos öffnete und schloss, bevor er
endlich eine von Bellas kurzen Atempausen nutze, um ihren Redeschwall
zu unterbrechen.
„Bella,
jetzt hör´ mir endlich zu. Don Carlo hat diese Karte Tarantello,
dem Lieblingshund seiner Frau Isidora, auf den Bauch rasieren lassen,
um sie zum 50. Hochzeitstag zu überraschen, denn die Karte führt zu
der Stelle, an der er Isidora vor 51 Jahren den Antrag gemacht hat.
Er möchte dort mit ihr gemeinsam eine Münze in den Brunnen werfen
und sich noch viele weitere Jahre miteinander wünschen. Tarantello
ist sozusagen nur der Überbringer der Überraschung und des Plans."
Eine
tiefe Röte überzog Bellas gebräuntes Gesicht. „So ein
Glückspliz“, murmelte sie leise. „Fünfzig Jahre sind eine lange
Zeit für ein Paar.“ Sie blinzelte und fuhr dann fort. „Es tut
mir leid, Mario, ich dachte, es wäre ein Verbrechen.“
„Wenn
wahre Liebe ein Verbrechen ist“, murmelte der Angesprochene, „sind
wir hoffentlich alle einmal schuldig“
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